Phillip Aboagye ist im Januar zu Rot-Weiss Ahlen gewechselt und war maßgeblich am Regionalliga-Aufstieg beteiligt. Der 20-Jährige fühlt sich in der Wersestadt pudelwohl, wie er im Interview und im dritten Teil der Serie #heimspiel verraten hat.
Dabei sah es vor nicht allzu langer Zeit noch ganz anders aus: Vor knapp einem Jahr, am 23. Oktober 2019, stand die Welt still für Phillip Aboagye. Der Traditionsclub Wattenscheid 09 musste Insolvenz anmelden und für den damals 19-Jährigen brach eine Welt zusammen. Er, der mit vier Jahren mit dem Fussball begonnen und das Ziel Profi-Fussballer zu werden immer vor Augen hatte, hatte durch die Zwangspause die Perspektive verloren und überlegte damals sogar bei einem Landesligisten in der Umgebung anzuheuern.
“Ich dachte damals, mein Traum wäre zerplatzt, meine Karriere wäre am Ende. Das ist mir ganz schön aufs Gemüt geschlagen”, erklärt Phillip Aboagye im Interview. Für einen jungen Spieler direkt am Anfang seiner Laufbahn eine Insolvenz miterleben zu müssen, ist keine einfache Sache. Seine Familie, insbesondere sein Vater, haben ihn in dieser Zeit besonders unterstützt. Sein Vater war es auch, der ihm davor bewahrt hat, vorschnelle Entscheidungen zu fällen. Aus seiner Junioren-Zeit beim VfL Bochum kannten die Aboagyes den damaligen Ahlener Trainer Christia Britscho und stellten den Kontakt zu ihm her. “Er hat mich angerufen und mir gesagt, das alles gut wird. Ich habe ihm vertraut und wie man sieht, war das die beste Entscheidung”, erzählt Ahlens Nummer “2”.
Die Erfahrungen in Wattenscheid haben ihn rückblickend stärker gemacht und ihn zusätzlich motiviert. Er trainiert jetzt noch fokussierter, absolviert neben dem Mannschaftstraining regelmäßig individuelle Laufeinheiten und macht “Abo” seit zwei Monaten dank seiner Freundin auch Yoga. “Ich versuche dadurch beweglicher zu werden und eine bessere Körperspannung zu bekommen, denn bisher bin ich ein Paradebeispiel dafür, dass Fussballer nicht so stretchy sind”, sagt er und lacht. Derzeit kommt er mit seinen Händen nur bis zu den Knöcheln, wenn er sich herunterbeugt. Mithilfe der Videos von Influencerin Pamela Reif soll das besser werden.
Das soll ihm dann auf dem Platz helfen. Sein kurzfristiges Ziel sind es, so viele Spielminuten wie möglich zu sammeln und sich gut zu präsentieren. “Wir setzen alles daran, die Klasse zu halten”, sagt Phillip Aboagye. Langfristig würde er gerne irgendwann noch etwas höher spielen. “Mein Traum ist die 1. Bundesliga”, so Aboagye weiter. Seitdem er vier Jahre alt ist, arbeitet er darauf hin. Angefangen hat er bei der Hombrucher SV, bevor er zum VfL Bochum gewechselt ist.
Wie schnell der Traum von einer Karriere als Fußball-Profi vorbei sein kann, hat er am Beipiel seines ein Jahr jüngeren Bruders Jeremy gesehen. “Jeremy war sehr talentiert, aber verletzt, seitdem er 14 ist. Er hat schon drei Knie-OPs hinter sich”, erzählt Phillip Aboagye. “Daher ist es umso wichtiger auf dem Boden zu bleiben, denn die Fußball-Karriere kann schnell vorbei sein”, so Aboagye weiter. Ein Grund mehr für den 20-Jährigen neben dem Fußball noch einen Plan B zu haben. Daher beginnt er zum Wintersemester ein Bauingenieurstudium an der TU Dortmund.
Neben Phillip und Jeremy gibt es übrigens noch zwei weitere Aboagye-Brüder, die natürlich auch Fußball spielen. Angesteckt mit dem Fußball-Virus wurden sie vom Vater, der gebürtig aus Ghana kommt, wo Fußball Volkssport ist. Davon konnte sich Phillip bei einem Besuch 2011 überzeugen. Damals gab es für die Familie sogar eine Privatführung im Nationalstadium in der Hauptstadt Accra. Obwohl Phillip in Deutschland geboren ist, schlagen zwei Herzen in seiner Brust – ein deutsches und ein afrikanisches. “Was das Essen angeht, bin ich afrikanisch”, erklärt er. In Sachen Pünktlichkeit war das in der Jugend ähnlich. Durch die “harte Bochumer Schule” ist er aber inzwischen – fast immer – pünktlich. “Damals bin ich regelmäßig zu spät gekommen, aber das wurde dann bestraft”, sagt Phillip Aboagye, der seine Lehren daraus gezogen hat. Ansonsten wäre die Unpünktlichkeit auf Dauer ein teures Vergnügen, denn auch in Ahlen ist jedes Mal ein Betrag in die Mannschaftskasse fällig.
Der 20-Jährige hat nach dem Rückschlag im vergangenen Jahr seine gute Laune und seine Motivation wieder gefunden. Eigentlich lässt er sich nicht so schnell aus der Fassung bringen – auch nicht von rassistischen Kommentaren, die immer mal wieder vorkommen, auch von Gegenspielern. “Ich versuche das nicht zu nah an mich ranzulassen und gebe meine Antwort dann auf dem Platz”, erklärt er. In Ahlen fühlt er sich wohl, ist sehr zufrieden mit dem Umfeld und den Bedingungen. Auch die Fans haben es dem Verteidiger angetan.”Die machen immer gut Stimmung. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie die Atmosphäre erst ist, wenn das Stadion mal voll ist.” Bis dahin wird es wohl noch etwas dauern – unter anderem auch wegen der Corona-Pandemie, welche die Welt inklusive der Fußball-Welt derzeit etwas still stehen lässt.